Hier werdet ihr einige Kurzgeschichten finden, die ich vor einigen Jahren geschrieben habe. Wenn ihr mögt, könnt ihr gern einen Kommentar hinterlassen...☺
Man selbst kann sehr schlecht einschätzen , ob sie "gut" oder interessant für andere sind und viele haben sie auch noch nicht zu Gesicht bekommen. Es ist einfach auch ein Teil meiner kreativen Seite und ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!
Und solltet ihr meine Geschichte in irgendeiner Art und Weise verwenden wollen ( wie vermessen von mir, aber man kann ja nie wissen! ), dann bitte nicht, ohne meine vorherige Erlaubnis. Das Copyright liegt bei mir ( egal, ob gut oder schlecht ☺ )
Barbara Marx - Syring
Email: La.Fiamma@online.de
November 2014
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Ein neues Haus, ein neuer Mensch...
Johann Wolfgang von Goethe
Gedanken an mein Haus
Ich werde dir einen Namen geben, einen, der dir gerecht wird. Noch fällt mir nichts passendes ein, aber am Ende dieses Briefes wird ein Name stehen, der all das erfasst, was ich in dir sehe - versprochen!
Manch einer wird sich wundern, warum ich einen Brief an ein Haus schreibe, kann es doch nicht lesen. Aber ich werde ihn an eine Stelle legen, dort, wo ihn vielleicht die Menschen finden werden, die dich nach mir bewohnen werden. Und dann werden sie wissen, dass du nicht einfach nur ein Haus bist, sondern sie werden deine und meine Geschichte kennen, werden wissen, dass du nicht einfach nur aus aufeinandergesetzten Steinen bestehst, sondern etwas ganz Besonderes bist und immer warst.
Hinter deinen schützenden Mauern, umgeben von der Natur, kann ich ich sein: frei von allen Zwängen, lachend, weinend, wütend, traurig, froh und glücklich - und aufgehoben. Hier habe ich alles, was ich brauche, kann die Tür hinter mir schließen und alles loslassen, die Welt draußen lassen.
Wieviele Jahre habe ich in der Großstadt verbringen müssen. Wenige Quadratmeter ohne Balkon, nur Häuser und Straßenfluchten um mich herum.
Immer wieder habe ich versucht, diese Wohnung zu einem Heim zu machen, aber gelungen ist das nie. Alles war viel zu eng, nur Beton, keine Luft zum Atmen.
Nie bin ich mit Freude nach Hause gekommen, habe dort nicht annähernd das empfunden, was ein Heim ausmacht. Das war einfach nie mein Platz, kein Ort, an dem ich mich entfalten konnte.
Jeden Tag waren viele Menschen um mich herum, doch nie habe ich mich einsamer gefühlt! Es erdrückte mich, ließ mich traurig werden, jeder ging seines Weges und schaute dabei weder nach rechts, noch nach links.
Und dann, auf einem meiner häufigen Ausflüge auf's Land, die mir so wichtig waren, sah ich dich und sofort beneidete ich die Menschen, die bei dir leben durften. Ich spürte, dass ich mich bei dir zu Hause fühlen könnte. Da war ein Gefühl, das ich nicht einordnen konnte, aber es war stark genug, dass ich sehr bald nur noch dieses Ziel für meine Ausflüge wählte.
Was ich sah, war ein kleines Haus, inmitten von Wald und mit Blick auf die See. Sprossenfenster und blaue Fensterläden, eine fast völlig mit wildem Wein berankte Hauswand und einen Garten, in dem so vieles blühte und gedieh, dass man kaum wusste, wohin man den Blick zuerst lenken sollte.
Eine Idylle, die kaum wahr zu sein schien.
Du strahltest so viel Ruhe und Frieden aus, wie du da in der Sonne vor mir lagst und so viel einladende Gemütlichkeit, dass ich am liebsten die Tür geöffnet und mich nie wieder fort bewegt hätte. Ich fragte mich, was es war, das diese starke Anziehungskraft auslöste, die ich so noch nie empfunden hatte. Hübsche Häuser hatte ich schon zu Hauf sehen können, aber nie hatte mich eines auf diese Weise angezogen.
Eines Tages nahm ich Stift und Papier mit, setzte mich ein Stück weit entfernt auf einen umgestürzten Baumstamm und zeichnete dich. Das Bild hing fortan in meinem kleinen Wohnzimmer und erinnerte mich daran, wie sich Freiheit für mich anfühlte.
Träume sollte jeder haben und du warst meiner. Träume geben Hoffnung und den Mut, eine Lage zu ertragen, die freudlos und leer ist.
Dann, an einem Samstagnachmittag, der sonniger nicht hätte sein können, saß ich erneut auf meinem Baumstamm, als ich das erste Mal seit ich herkam, eine Bewegung im Garten wahr nahm. Mein erster Gedanke war Flucht, denn ich wollte auf gar keinen Fall neugierig oder aufdringlich erscheinen. Doch bevor ich reagieren konnte, erschien eine alte Frau am Zaun und rief mir etwas zu. Sie war zu weit entfernt, als dass ich sie hätte verstehen können, also stand ich zögernd auf und ging auf sie zu. Ich rechnete mit einem Verweis, weil sie sich durch mein ständiges Auftauchen beobachtet und gestört fühlen könnte.
Aber nichts dergleichen geschah! Im Gegenteil, die alte Dame lud mich freundlich lächelnd zu einer Tasse Tee ein, was ich etwas verunsichert, aber dankend annahm.
Nichts an diesem Tag deutete darauf hin, dass sich mein Leben von diesem Moment an grundlegend ändern würde. Kein Paukenschlag, kein Trommelwirbel - nur der leise Beginn einer tiefen Freundschaft.
Hermine, so hieß sie, nahm mir durch ihre offene und herzliche Art sehr schnell jede Art von Hemmung. Sie war ohne jeden Argwohn, erzählte mir von ihrem Leben, als wenn sie mich schon ewig kennen würde. Und eh ich mich's versah, wurde es Abend und die Dämmerung sank hinab. Nie werde ich diesen Augenblick vergessen, denn alles um uns herum lag in goldenem Licht. Die untergehende Sonne tauchte die See in ein rot - goldenes Farbenmeer, die Silhouetten der Pflanzen und Bäume um uns herum nahmen sich dagegen fast schwarz heraus, der Duft von Geißblatt und Ziertabak lag schwer über allem. Es breitete sich eine Stille aus, die alles innehalten ließ.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich den Atem angehalten hatte und nahm wieder wahr, dass Hermine neben mir mich wissend anschaute. Worte waren hier überflüssig, denn wir spürten beide, dass in diesem Augenblick ein Band zwischen uns entstand, das uns auf lange Zeit miteinander verbinden würde.
Von nun an kam ich an jedem Wochenende heraus zu ihr, half ihr im Garten und bei anderen Dingen, die sie aufgrund ihres Alters nicht mehr selbst erledigen konnte. Ich erfuhr, dass ihr Mann schon vor langer Zeit gestorben ist und er es war, der dich erbaut hat.
Ihre beiden Kinder lebten im Ausland und verfolgten dort ihre Karrieren. Sie hatte einen Enkel, den sie aber noch nie zu Gesicht bekommen hatte, denn ihre Kinder hielten so gut wie keinen Kontakt zu ihr. Außer 2 - 3 Anrufen im Jahr und ab und an einer Karte hörte sie nichts von ihnen. Sie hat nie begreifen können, weshalb ihre Kinder, die sie mit so viel Liebe großgezogen hatte, sich so von ihr abwandten.
Ihre Traurigkeit darüber war greifbar, doch sie versuchte es - wenig erfolgreich - zu überspielen.
Sie erzählte stattdessen von ihren Nachbarn, mit denen sie sich so gut verstand und die ihr bei vielem geholfen hatten, nachdem sie allein dort wohnte.
Hermine wurde mir zu einer guten Freundin, der besten, die ich je hatte.
Die Wochenenden bei ihr wurden zu meinem Lebensinhalt und das war bis dahin die glücklichste Zeit in meinem Leben. Sie verstand es, mir einen Halt zu geben und sie schaffte es mir so viel Vertrauen entgegenzubringen, dass ich mich ihr öffnen konnte. Wir hatten so vieles gemeinsam: die Liebe zur Natur und der See, wir mochten gute Gespräche bei einer Tasse Tee, wir liebten die Stille und Harmonie, die uns umgab.
Dann, eines Tages, war sie nicht mehr da. Sie starb plötzlich und völlig unerwartet. Sie war nicht krank, sie schlief einfach ein.
Ich vermisste sie furchtbar und war am Boden zerstört. Ich selbst hatte schon lange keine Familie mehr und fühlte mich durch ihren Verlust einsamer denn je.
Du hattest ihr und ein Stück weit auch mir ein Heim gegeben und der Gedanke, was jetzt mit dir geschehen würde, machte mich traurig. Ich wusste, dass Hermines Kinder sich nicht für dich interessieren würden. Vielleicht würden sie verkaufen und es einer anderen Familie ermöglichen, dich wieder mit Leben zu füllen. Dieser Gedanke tröstete mich ein wenig, weil die Vorstellung, dich langsam verfallen zu sehen, schrecklich für mich war. Ich konnte es mir nicht leisten, dich zu kaufen, damit mußte ich mich wohl oder übel abfinden.
Und wieder war es ein ganz normaler Tag, an dem ich diesen Anruf bekam. Früh am Morgen, als ich gerade in meiner kleinen Wohnung mein Frühstück machte, klingelte mein Telefon.
Ein Anwalt meldete sich und teilte mir mit, dass du von diesem Tag an mir gehören würdest, die alte Dame hätte das so gewollt und ich könne mir den Schlüssel bei ihm abholen. Ich stand da, den Hörer in der Hand und konnte es nicht fassen! Ich hatte Angst, diese ganzen Gefühle, die sich mit Macht bahnbrechen wollten, zuzulassen. Vielleicht hatte ich nur geträumt oder etwas falsch verstanden?
Erst als ich den Schlüssel in der Hand hielt, begann ich zu begreifen. Endlich war ich angekommen und würde nie wieder fortgehen müssen.
Jetzt sitze ich so oft ich kann im Garten, denke voller Dankbarkeit an Hermine und fühle mich ihr dabei so nah. Ich glaube, es lohnt sich doch zu träumen!
Und dich, dich werde ich Lillemor nennen. Es ist ein schwedischer Name und passt so gut zu dir, er bedeutet "kleine Mutter"! Das zeigt, wie ich dich sehe: als einen Ort der Geborgenheit und einem wirklichen Heim!
Und mittlerweile denke ich, DU hast MICH ausgesucht und ich weiß auch schon, wo ich diesen Brief an dich und für diejenigen, die nach mir kommen, hinterlassen werde...
© by Barbara Marx - Syring
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Geschichte Nummer 2, passend zu dieser Jahreszeit und gerade geschrieben
18.11.2014
Ich hoffe, sie gefällt euch.
A
little Christmas Story
Der
kleine weiße Hund war vor Freude ganz außer sich. Immer wieder
fuhren seine Pfötchen am Gitter auf und ab, das Schwänzchen wedelte
so hin und her, dass der kleine Körper von oben bis unten in
Bewegung war. Die großen braunen Augen strahlten und vor Aufregung
gab er kleine, süße Quietschlaute von sich, die wohl heißen
sollten: nimm mich mit, ich will hier raus...
Genau
davor hatte ich Angst gehabt, als meine Freundin, die gleichzeitig
auch meine Vermieterin war, mich zum Flohmarktbesuch im Tierheim
überredete.
Ich
liebte alle Tiere, im Besonderen Hunde und ich wusste eben, dass ich
besser nicht in die Käfige hätte schauen dürfen, am liebsten hätte
ich sie allesamt mitgenommen!
Aber
dieser kleine Kerl mit seinem weißen Wuschelfell hatte
offensichtlich mich ausgesucht, denn er ging mir nicht mehr aus dem
Kopf, als ich weiter die Stände entlang schlenderte. Mia war ganz in
ihrem Element, ich sah sie weiter vorne mit einem großen Korb, der
schon bis zum Rand mit Fundstücken gefüllt war.
Nachdem
mein Mann mich nach über 20 Jahren von einem Tag zum anderen
verlassen hatte und ich die schlimmste Zeit meines Lebens mehr
schlecht als recht hinter mich gebracht hatte, suchte ich damals eine neue
Bleibe für mich. Mittlerweile bezog ich eine Frührente, da mein
Rheuma sich so verschlimmert hatte, dass mir keine andere Wahl blieb.
Über das Internet fand ich dann vor einem Jahr Mia's
Wohnungsangebot: eine große 3 – Zimmer – Wohnung in einem Vorort
Münsters, in dem auch meine ältesten Freunde wohnten. Über 2
Etagen, großzügig und hell, die Miete dafür vergleichsweise gering
und so rechnete ich mit einem Riesenandrang an Besichtigungen und mir
kaum eine Chance aus.
Aber
Mia war anders, sie wollte jemanden finden, der zu ihr passte und wir
hatten sofort einen Draht zueinander. Ich bekam die Wohnung und dazu
eine Freundin, auf die ich mich verlassen konnte. Sie selbst hatte 2
Hunde, beide aus diesem Tierheim und wenn ich ehrlich war, wünschte
ich mir schon lange einen eigenen.
Nichts
ist vergleichbar mit einer kalten Hundeschnauze, die dich morgens
vorsichtig anstupst und weckt, mit der Lebensfreude, durch die er
einfach den Moment genießt und mit kuscheligem Fell an deiner Seite,
wenn du auf der Couch liegst und der Hund neben dir sich genüsslich
räkelt und an dich schmiegt!
Also
hatte er mich schon rumgekriegt, der kleine Kerl. Als ich Mia
eingeholt hatte, sah sie es mir sofort an. Stand es auf meiner Stirn
geschrieben?
„Na,
welcher ist es?“ fragte sie mit wissendem Blick.
„Wer
ist was?“ gab ich zurück, sie hatte mich ja ganz schön
manipuliert und das wollte ich natürlich nicht sofort zugeben.
„Wenn
du das schöne alte Tellerregal meinst, ja, das hab ich mir schon
zurücklegen lassen und ein paar wunderbare alte Leinenstoffe hab ich
auch gefunden.“ Ich hielt ihr meinen Korb unter die Nase, damit sie
meine Funde bewundern konnte. „Und du?“ fragte ich ganz
unschuldig.
„Silberbesteck,
Brillenetui, Fensterladen, Spitze, Schreibset und noch ein paar
Kleinigkeiten. Dieses Mal hat sich's wirklich gelohnt!“
Unsere
Liebe für alte Schätze, Aufarbeiten alter Dinge und Handarbeiten
hatte uns sofort zusammen geschweißt und mittlerweile hatten wir
gemeinsam einen immer besser gehenden kleinen Laden, der einem
Hofcafé angeschlossen war und in dem wir unsere Sachen verkauften.
Nie hätte ich gedacht, dass sich mein Leben so entwickeln würde,
aber man soll eben nie nie sagen! Ein Hund würde mein neues Glück
ohne Mann, aber mit Dingen die mich ausfüllten und glücklich
machten, vervollkommnen. Mehr brauchte ich nicht mehr. Keinen
Beziehungsstress, keine Verletzungen, von denen man sich nie mehr
erholt, kein Vertrauensbruch, der dich bis an die Grundfesten
erschüttert. Nein, nie wieder! Und ein Tier enttäuscht dich nie, es
ist dazu gar nicht fähig.
„Halloo,
wen nehmen wir jetzt mit nach Hause?“ Mia grinste.
Ich
grinste zurück. „Du hast das geplant, nicht wahr?“
„Na,
sagen wir mal, ich habe dir nur den nötigen kleinen Schubs in die
richtige Richtung gegeben! Mensch Anna, wir wissen doch beide, wie
sehr du dir einen Hund wünschst! Wir haben Platz und meine beiden
verstehen sich eh mit jedem, was also hält dich ab?“
„Nix!“
ich strahlte sie an, nahm sie bei der Hand und führte sie zu dem
kleinen weißen Mischling, der sich vor Freude fast überschlug, als
er mich sah.
„Oh,
ist der süß!“ Mia beugte sich begeistert zu ihm runter, aber der
Kleine hatte nur Augen für mich. Mein Herz schlug wie verrückt und
plötzlich konnte ich es gar nicht mehr abwarten, ihn da
herauszuholen. Am Käfig stand Barko – was für ein Name für so
einen Kleinen!
„Ok,“
sagte Mia, „ich hole Sabine und dann geht’s los!“ Sprach's und
machte auf dem Absatz kehrt. Sabine war die Mitarbeiterin des
Tierheims und eine ehemalige Arbeitskollegin von mir. Ich war mir
sicher, sie würde für uns eine Ausnahme machen und uns den Kleinen
sofort mitgeben. Und so war es auch. Weil sie uns kannte, würden wir
den ganzen Papierkram morgen erledigen können.
Wir
erfuhren, dass der Kleine ein geschätztes halbes Jahr alt war und
von Spaziergängern an einen Baum gebunden aufgefunden wurde. Es war
November, die Nächte kalt und man konnte von Glück sagen, dass er
es überlebte und schnell zum Tierheim gebracht wurde. Menschen, die
hilflose Tiere einfach aussetzen oder Schlimmeres mit ihnen tun,
werde ich nie begreifen können!
Jetzt
würde er den ersten Advent warm und geborgen bei mir verbringen
können. Als Sabine den Käfig öffnete, sprang er mir sofort in die
Arme und leckte mir begeistert quer durch's Gesicht.
„Na,
wenn das nicht Liebe auf den ersten Blick ist!“ rief Sabine, die
sich einfach mit freute, wenn ihre Schützlinge ein gutes Zuhause
bekamen. „Wartet eben, ich hole euch Geschirr und Leine. Hab ihr
alles andere schon da, was ihr braucht?“
„Nein,“
sagte Mia. „Aber da heute Samstag ist, werden wir gleich noch
einkaufen gehen und alles Nötige besorgen.“
„Wie
nennen wir ihn?“ fragte sie. „Barko geht gar nicht, schließlich
ist er kein Riesenhund.“
„Hm,
für's Erste würde mir Stups gefallen.“ antwortete ich.
„Schließlich habt ihr beide mir den Anstupser gegeben, der noch
nötig war! Danke Mia, ich werd den Kleinen schon jetzt nicht mehr
hergeben!“
Wie
zur Bekräftigung bellte der Kleine.
Mia
lachte. „Ich bin gespannt, was meine Beiden gleich sagen werden!
Wir sollten mit allen erst mal eine Runde laufen, damit sie sich
beschnuppern können.“
Nachdem
wir den halben Tierbedarfsladen leer gekauft und mit allem versorgt
waren, machten wir uns endlich auf den Heimweg.
Vorher
brachten wir unsere Flohmarktfunde noch zum Lädchen und luden alles
in der Werkstatt dahinter ab.
Zu
Hause angekommen ließ ich Stups herunter, der sofort begann, meine
Wohnung zu erkunden. Ich räumte sein Futter ein, legte das weiche
Hundekissen neben die Couch und packte sein Spielzeug bis auf den
Ball in einen Korb, den ich ins Wohnzimmer stellte.
Ein
herrliches Gefühl! Jetzt gab es jemanden, der nur zu mir gehörte!
Stups' Begeisterung kannte keine Grenzen, das Schwänzchen war
ständig in Bewegung und immer wieder lief er zu mir, berührte mich
an den Füßen und strahlte mich an. Am Ende sprang er auf die Couch,
legte den Kopf auf die Pfoten und schlief auf der Stelle ein.
Obwohl
ich mich in meiner Wohnung von Anfang an heimisch gefühlt hatte,
wurde mir just in diesem Augenblick klar, dass es erst jetzt ein
richtiges Zuhause war. Bis heute hatte Stups gefehlt!
Eine
Stunde später machten Mia und ich unsere erste gemeinsame
Abendrunde, unsere Hunde verstanden sich auf Anhieb. Da Mia's recht
groß und temperamentvoll waren, hatte ich doch ein wenig Bedenken,
ob sie Stups akzeptieren würden, aber ich hätte mir keinerlei
Sorgen machen müssen. Nach dem ersten Beschnuppern war es so, als
hätten sie schon immer zusammen gehört und ich war beeindruckt, wie
sich alles fügte.
Die
erste Nacht verbrachte Stups natürlich NICHT in seinem Körbchen
neben meinem Bett, sondern IN meinem Bett! Nah an mich gekuschelt
schlief er selig und ohne sich zu rühren bis zum nächsten Morgen
durch. Und ich sagte natürlich nicht nein dazu, sondern genoss sie, diese neue Zweisamkeit.
Zum
nahenden Weihnachtsfest hatte ich seit der Trennung so eine Art
Hassliebe entwickelt. Einerseits mochte ich Weihnachten noch immer:
als Familienfest.
Die besondere Stimmung, die meine Eltern und
Großeltern mir gezeigt hatten, jedes Jahr wieder.
Die Lichter
überall, die Gemütlichkeit.
Aber
innerlich fehlte etwas: der Mensch, den man mehr als alles andere
geliebt hat an meiner Seite. Eine Leere, die eben durch nichts zu
ersetzen ist.
Also
hielt ich mich von da an zurück, ich schmückte meine Wohnung nur
mit dem Nötigsten und das für meine Familie, nicht für mich. Ich
war eigentlich nur noch froh, wenn es vorbei war und ich nicht mehr
so tun musste, als wäre es trotz allem noch so wie früher und ich
keine gute Stimmung mehr heucheln musste, die ich nicht empfand.
Aber
durch Stups war es diesmal anders. Natürlich konnte er nicht einen
Partner an meiner Seite ersetzen, aber er war einfach da, so wie er
war.
Plötzlich
machte es wieder mehr Spaß, die Wohnung zu dekorieren, es besonders
gemütlich zu machen, Plätzchen zu backen und Kerzen anzuzünden.
Und Stups schien das zu spüren, er wich nicht von meiner Seite.
Fragte ich ihn nach seiner Meinung, bellte er zustimmend, wobei immer
der ganze Hund in Bewegung war. Wenn ich buk, lag er ein paar Meter
entfernt von der offenen Küche, schnupperte immer wieder und wartete
geduldig auf ein Leckerchen zwischendurch. Abends lag er mit mir auf
der Couch und schaute fern. Sobald ein Tier zu sehen war, sprang er
auf und stand schwanzwedelnd vorm Fernseher – sage noch einmal
jemand, dass Hunde kein Fernsehen schauen können!
Im
Lädchen war es so, als sei er schon immer da gewesen, er legte sich
auf sein Kissen, begrüßte jeden Kunden freundlich und bei unseren
Spaziergängen tobte er mit Mia's Hunden, als wenn es kein Morgen
gäbe. Es war, als wüsste er von allein, was man von ihm erwartete,
es war kaum ein Zurechtweisen nötig.
Auch
unsere kleine Nachbarin Nele, stolze 5 Jahre alt, war begeistert und
sehr viel öfter bei uns, als sonst. Früher spielte sie mit Mia's
Hunden, die trotz ihrer Größe sehr vorsichtig mit ihr waren. Jetzt
war Stups natürlich ihr Favorit. So gern wäre sie allein mit den
Großen spazieren gegangen, sie war überzeugt, die anderen Kinder
der Straße hätten sie dann bestimmt mit mehr Respekt behandelt als
jetzt. Nele war klein und zart, sie hätte die großen Hunde nie
halten können, weshalb sie zwar mitgehen durfte, aber zu ihrem
Leidwesen nie allein.
Eines
Morgens klingelte es und Nele stand vor der Tür.
„Ich
hab jetzt Zeit,“ sagte sie ganz ernst. „Ich kann mit Stups
spazieren gehen, du hast ja bestimmt was zu tun!“
Sie
sah mit ihrem rosa Regenmantel und den dazu passenden Stiefeln
einfach niedlich aus, man konnte ihr kaum widerstehen. Ihre blonden,
feinen Haare hatte ihre Mutter zu einem französischen Zopf
geflochten, so dass ihr hübsches Gesichtchen nicht von der Haarflut,
die sie sich sonst ständig zur Seite schob, bedeckt war. Aber nie
hätte sie sich ihre Haare kurz schneiden lassen, es war immer so
schön, wenn ihre Mutter sie abends lange bürstete. Sie mochte das
und wusste sehr genau, was sie wollte. Später würde sie die Jungs
reihenweise umhauen!
„Guten
Morgen, Nele.“ sagte ich. „Aber musst du denn nicht in den
Kindergarten?“ Stups zwängte sich durch meine Beine, schließlich
musste er begutachten, wer da gekommen war.
Nele
beugte sich runter und streichelte ihn. „Nö, Gitta is krank und
Moni auch und Tina auch. Sie haben Fieber und müssen im Bett
bleiben, sagt Mama. Jetzt is keiner da, der auf uns aufpassen kann.
Gibst du mir die Leine, dann geh ich los?“
Ich
überlegte. Mein Hund war ja lieb und handelbar für Nele, aber was,
wenn etwas Unvorhergesehenes passierte, etwas, was Stups erschrecken
würde? Er war erst seit 14 Tagen bei mir und hatte Nele nur ein paar
Mal gesehen. Nein, das war mir doch zu riskant, beschloss ich.
„Komm
erst mal rein, dann schauen wir, was wir machen.“
„Wieso?“
fragte Nele, schon mit einem enttäuschten Ausdruck im Gesicht. „Ich
kann doch jetzt gehen, hab doch Zeit!“
„Gut,
aber weißt du was? Wir gehen gleich zusammen, ich zieh mir nur
schnell was an. Wartest du so lange?“
„Ok.“
sagte sie ergeben und schlurfte in die Wohnung.
„Oh
je! Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen, die dich schon am
frühen Morgen geärgert hat?“ fragte ich.
„Eine
Laus, was ist das?“ Sie knöpfte ihren Mantel auf und schien
gänzlich desinteressiert.
„Ach
nix.“ antwortete ich. „Nur so eine Redensart. Möchtest du noch
einen schönen heißen Kakao und ein Plätzchen, bevor wir gehen?“
Sorgsam
hängte sie ihr Mäntelchen auf den untersten Haken der Garderobe und
lächelte mich zaghaft an.
„Die
leckeren Schokis vom letzten Mal?“
„Hm,
die hab ich leider nicht mehr, aber welche mit Schokostückchen drin,
die magst du bestimmt auch!“
„Ok.“
Sie
setzte sich auf die Couch und Stups sprang zu ihr hoch. Beide
schauten mich so erwartungsvoll an, dass ich lachen musste.
„Na
ihr Zwei seid mir ein Pärchen! Für Leckerchen tut ihr alles, oder?“
Stups
bellte zustimmend und jetzt musste auch Nele grinsen.
Ich
bereitete den Kakao zu, legte ein paar Plätzchen auf einen Teller
und holte ein paar Hundekekse aus der Dose, die ich Nele gab.
Sofort
sprang Stups auf und legte Nele die Pfoten auf die Schulter.
Nele
lachte auf und sagte: „Sitz!“, dem Stups auch sekundenschnell
folgte.
Stolz
gab Nele ihm einen Keks.
„Guck
mal, er hat sofort auf mich gehört!“
„Ja,
er weiß genau, was er zu tun hat.“ Ich trank meinen Kaffee aus und
beobachtete die beiden. Das Spielchen wiederholte sich, bis die
Hundekekse auf waren und nachdem Nele ihre Verpflegung ebenfalls
genossen hatte, machten wir uns alle gemeinsam auf den Weg.
Wir
wohnten ländlich und waren deshalb auch schnell im Grünen, wo ich
Stups normalerweise von der Leine ließ. Diesmal gab ich aber Nele
die Leine, um zu schauen, wie sie damit umging und sie machte es
erstaunlich gut.
Nach
einer halbe Stunde erreichten wir den Spielplatz, Nele gab mir die
Leine zurück und lief zur Schaukel, dann zur Rutsche und zum
Klettergerüst. Stups und ich waren vergessen, aber wir schauten ihr
gerne zu. Manchmal war sie viel zu ernst für ihre 5 Jahre, so dass
ich froh war, dass sie ein bisschen spielte.
Nach
und nach kamen auch noch andere Kinder mit oder ohne Eltern dazu und
Nele setzte sich zu uns auf die Bank.
„Magst
du nicht noch ein bisschen mit den anderen spielen?“ fragte ich
sie.
„Nö,
aber ich würde so gern einen eigenen Hund haben!“ Nele wackelte
mit ihren Beinen unter der Bank und schaute sehr traurig aus.
„Aha,“
antwortete ich. „Und deine Eltern erlauben es nicht?“
„Nö.
Mama sagt, wir hätten zu wenig Zeit dafür und ein Hund wär dann
traurig. Aber wär er nicht, ich würd mich ja um ihn kümmern!“
Sie
sagte das ein wenig trotzig, aber das Traurige blieb. Ich konnte sie
sehr gut verstehen, denn ich wollte als Kind ebenfalls immer einen
Hund. Wir durften aber keinen halten, das verbot der Mietvertrag.
„Ich
wünsch mir einen vom Weihnachtsmann, dann können Mama und Papa doch
nicht schimpfen, oder? Der Weihnachtsmann kennt alle Wünsche der
Kinder und wenn er die erfüllt, dann können Eltern doch nix machen,
oder?“
Hoffnungsvoll
schaute sie mich an und brachte mich in eine echte Zwickmühle. Gegen
den Weihnachtsmann konnte ich nichts ausrichten, aber ich wollte mich
nicht einmischen. Nele würde mit der Entscheidung ihrer Eltern erst
mal leben müssen.
„Ja,
aber schau mal: so viele Kinder bekommen dann vielleicht vom
Weihnachtsmann ihren Wunsch erfüllt und was passiert dann?“
Nele
überlegte. „Dann ist der Hund da und die Eltern können nix
machen.“ wiederholte sie.
„Hm,
da hast du recht, aber Eltern können dann schon was machen.“
„Was denn?“ fragte Nele.
„Was denn?“ fragte Nele.
„Nun,
zuerst ist der Hund vielleicht ganz süß, aber dann merken sie, dass
er Arbeit macht. Er muss sein Futter haben, er muss Gassi gehen und
wenn er mal krank ist, dann muss er zum Tierarzt. Die Eltern müssen
vielleicht arbeiten, die Kinder müssen ihre Schulaufgaben machen
oder nachmittags noch zum Unterricht. Und wieviel Zeit bleibt dann
noch für einen Hund, der spielen und sich bewegen möchte?“
Nele
sagte nichts, schaute aber sehr nachdenklich.
„Und
weißt du was Eltern dann machen?“
„Nö.“
„Dann
geben sie den Hund ins Tierheim, wo auch niemand wegen der vielen
Tiere so richtig Zeit für ihn hat. Er sitzt dann in seinem Zwinger
und wenn er Glück hat, dann findet er ein paar Menschen, die ab und
zu mit ihm spazieren gehen. Wenn er noch mehr Glück hat, aber das
haben nicht alle, dann findet er ein neues Zuhause.
Und
weil sich Weihnachten ganz viele einen Hund wünschen, ohne zu
gucken, ob das auch wirklich geht, sind die Tierheime nach
Weihnachten besonders voll, weil sie dann alle wieder abgegeben
werden. Und das ist doch auch nicht schön, oder?“
„Aber
Stups hat dich gefunden und ich kann mit ihm spielen!“
„Ja,
aber im Tierheim gibt es noch viele andere Hunde, die auf ein Zuhause
warten, in dem man Zeit für sie hat und ihnen alles geben kann, was
sie brauchen. Und sieh mal, wenn du dir so doll einen Hund wünschst,
dann wartest du einfach noch ein bisschen, bis deine Eltern ja sagen,
denn dann ist es richtig so und kein Hund landet im Tierheim. Findest
du nicht auch, dass das besser ist?“
Nele
schaukelte noch immer mit ihren Beinen und man konnte förmlich
sehen, was in ihrem Köpfchen vorging.
„Aber
der Weihnachtsmann weiß doch immer alles, warum macht der das dann
trotzdem?“
„Vielleicht,
weil der Weihnachtsmann ja beim besten Willen nicht alles wissen
kann! Überleg mal, wie viele Kinder es auf der Welt gibt und er hat
alle Wünsche der Kinder im Kopf. Da kann er nicht auch noch wissen,
was Zuhause los ist, ob die Eltern einverstanden sind, ob auch Zeit
genug da ist...usw. Das alles kann selbst ein Weihnachtsmann nicht
wissen und deshalb tut er dann vielleicht nicht immer das Richtige.“
„Ach
so, stimmt.“ sagte Nele. „Ok, das versteh ich. Aber bis ich dann
meinen Hund krieg, darf ich dann mit Stups spielen, oder?“
„Aber
klar, auch mit Benno und Balou, versprochen!“
Endlich
strahlte sie wieder, sprang von der Bank und lief zur Schaukel. Ihre
Welt war wieder in Ordnung und ich froh, dass ich es ihr so erklären
konnte, dass sie es verstand und nicht einfach nur enttäuscht war.
„Gut
erklärt, da zieh ich den Hut!“
Erschrocken
drehte ich mich zu der Stimme hinter mir um. Ich hatte nicht mit
bekommen, dass sich jemand auf die Bank hinter mir gesetzt
hatte.
„Sie haben gelauscht!“ antwortete ich, aber mit einem Grinsen im Gesicht, denn was ich sah, gefiel mir.
„Sie haben gelauscht!“ antwortete ich, aber mit einem Grinsen im Gesicht, denn was ich sah, gefiel mir.
Ein
Mann in meinem Alter, graue Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden mit
einem sehr sympathischen und offenen Gesichtsausdruck. Erst jetzt sah
ich zu seinen Füßen einen wunderhübschen Retriever, der neugierig
meinen Stups beschnüffelte.
„Bekenne
mich schuldig, aber Sie waren auch nicht zu überhören. Meine Lilly
ist auch aus dem Tierheim und ich hab's nie bereut. Solange so viele
Tiere ihr Leben im Heim fristen müssen, kommt für mich ein Züchter
nicht mehr infrage!“
„Ganz
meine Meinung!“ antwortete ich erfreut. „Laufen Sie öfter hier?“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen