Meine Texte



Hier werdet ihr einige Kurzgeschichten finden, die ich vor einigen Jahren geschrieben habe. Wenn ihr mögt, könnt ihr gern einen Kommentar hinterlassen...☺
Man selbst kann sehr schlecht einschätzen , ob sie "gut" oder interessant für andere sind und viele haben sie auch noch nicht zu Gesicht bekommen. Es ist einfach auch ein Teil meiner kreativen Seite und ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!
Und solltet ihr meine Geschichte in irgendeiner Art und Weise verwenden wollen ( wie vermessen von mir, aber man kann ja nie wissen! ), dann bitte nicht, ohne meine vorherige Erlaubnis. Das Copyright liegt bei mir ( egal, ob gut oder schlecht ☺ )
Barbara Marx - Syring
Email: La.Fiamma@online.de
November 2014


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Ein neues Haus, ein neuer Mensch...
Johann Wolfgang von Goethe


Gedanken an mein Haus

Ich werde dir einen Namen geben, einen, der dir gerecht wird. Noch fällt mir nichts passendes ein, aber am Ende dieses Briefes wird ein Name stehen, der all das erfasst, was ich in dir sehe - versprochen!
Manch einer wird sich wundern, warum ich einen Brief an ein Haus schreibe, kann es doch nicht lesen. Aber ich werde ihn an eine Stelle legen, dort, wo ihn vielleicht die Menschen finden werden, die dich nach mir bewohnen werden. Und dann werden sie wissen, dass du nicht einfach nur ein Haus bist, sondern sie werden deine und meine Geschichte kennen, werden wissen, dass du nicht einfach nur aus aufeinandergesetzten Steinen bestehst, sondern etwas ganz Besonderes bist und immer warst.
Hinter deinen schützenden Mauern, umgeben von der Natur, kann ich ich sein: frei von allen Zwängen, lachend, weinend, wütend, traurig, froh und glücklich - und aufgehoben. Hier habe ich alles, was ich brauche, kann die Tür hinter mir schließen und alles loslassen, die Welt draußen lassen.
Wieviele Jahre habe ich in der Großstadt verbringen müssen. Wenige Quadratmeter ohne Balkon, nur Häuser und Straßenfluchten um mich herum.
Immer wieder habe ich versucht, diese Wohnung zu einem Heim zu machen, aber gelungen ist das nie. Alles war viel zu eng, nur Beton, keine Luft zum Atmen.
Nie bin ich mit Freude nach Hause gekommen, habe dort nicht annähernd das empfunden, was ein Heim ausmacht. Das war einfach nie mein Platz, kein Ort, an dem ich mich entfalten konnte.
Jeden Tag waren viele Menschen um mich herum, doch nie habe ich mich einsamer gefühlt! Es erdrückte mich, ließ mich traurig werden, jeder ging seines Weges und schaute dabei weder nach rechts, noch nach links.
Und dann, auf einem meiner häufigen Ausflüge auf's Land, die mir so wichtig waren, sah ich dich und sofort beneidete ich die Menschen, die bei dir leben durften. Ich spürte, dass ich mich bei dir zu Hause fühlen könnte. Da war ein Gefühl, das ich nicht einordnen konnte, aber es war stark genug, dass ich sehr bald nur noch dieses Ziel für meine Ausflüge wählte.
Was ich sah, war ein kleines Haus, inmitten von Wald und mit Blick auf die See. Sprossenfenster und blaue Fensterläden, eine fast völlig mit wildem Wein berankte Hauswand und einen Garten, in dem so vieles blühte und gedieh, dass man kaum wusste, wohin man den Blick zuerst lenken sollte.
Eine Idylle, die kaum wahr zu sein schien.
Du strahltest so viel Ruhe und Frieden aus, wie du da in der Sonne vor mir lagst und so viel einladende Gemütlichkeit, dass ich am liebsten die Tür geöffnet und mich nie wieder fort bewegt hätte. Ich fragte mich, was es war, das diese starke Anziehungskraft auslöste, die ich so noch nie empfunden hatte. Hübsche Häuser hatte ich schon zu Hauf sehen können, aber nie hatte mich eines auf diese Weise angezogen.
Eines Tages nahm ich Stift und Papier mit, setzte mich ein Stück weit entfernt auf einen umgestürzten Baumstamm und zeichnete dich. Das Bild hing fortan in meinem kleinen Wohnzimmer und erinnerte mich daran, wie sich Freiheit für mich anfühlte.
Träume sollte jeder haben und du warst meiner. Träume geben Hoffnung und den Mut, eine Lage zu ertragen, die freudlos und leer ist.
Dann, an einem Samstagnachmittag, der sonniger nicht hätte sein können, saß ich erneut auf meinem Baumstamm, als ich das erste Mal seit ich herkam, eine Bewegung im Garten wahr nahm. Mein erster Gedanke war Flucht, denn ich wollte auf gar keinen Fall neugierig oder aufdringlich erscheinen. Doch bevor ich reagieren konnte, erschien eine alte Frau am Zaun und rief mir etwas zu. Sie war zu weit entfernt, als dass ich sie hätte verstehen können, also stand ich zögernd auf und ging auf sie zu. Ich rechnete mit einem Verweis, weil sie sich durch mein ständiges Auftauchen beobachtet und gestört fühlen könnte.
Aber nichts dergleichen geschah! Im Gegenteil, die alte Dame lud mich freundlich lächelnd zu einer Tasse Tee ein, was ich etwas verunsichert, aber dankend annahm.
Nichts an diesem Tag deutete darauf hin, dass sich mein Leben von diesem Moment an grundlegend ändern würde. Kein Paukenschlag, kein Trommelwirbel - nur der leise Beginn einer tiefen Freundschaft.
Hermine, so hieß sie, nahm mir durch ihre offene und herzliche Art sehr schnell jede Art von Hemmung. Sie war ohne jeden Argwohn, erzählte mir von ihrem Leben, als wenn sie mich schon ewig kennen würde. Und eh ich mich's versah, wurde es Abend und die Dämmerung sank hinab. Nie werde ich diesen Augenblick vergessen, denn alles um uns herum lag in goldenem Licht. Die untergehende Sonne tauchte die See in ein rot - goldenes Farbenmeer, die Silhouetten der Pflanzen und Bäume um uns herum nahmen sich dagegen fast schwarz heraus, der Duft von Geißblatt und Ziertabak lag schwer über allem. Es breitete sich eine Stille aus, die alles innehalten ließ.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich den Atem angehalten hatte und nahm wieder wahr, dass Hermine neben mir mich wissend anschaute. Worte waren hier überflüssig, denn wir spürten beide, dass in diesem Augenblick ein Band zwischen uns entstand, das uns auf lange Zeit miteinander verbinden würde.
Von nun an kam ich an jedem Wochenende heraus zu ihr, half ihr im Garten und bei anderen Dingen, die sie aufgrund ihres Alters nicht mehr selbst erledigen konnte. Ich erfuhr, dass ihr Mann schon vor langer Zeit gestorben ist und er es war, der dich erbaut hat.
Ihre beiden Kinder lebten im Ausland und verfolgten dort ihre Karrieren. Sie hatte einen Enkel, den sie aber noch nie zu Gesicht bekommen hatte, denn ihre Kinder hielten so gut wie keinen Kontakt zu ihr. Außer 2 - 3 Anrufen im Jahr und ab und an einer Karte hörte sie nichts von ihnen. Sie hat nie begreifen können, weshalb ihre Kinder, die sie mit so viel Liebe großgezogen hatte, sich so von ihr abwandten. 
Ihre Traurigkeit darüber war greifbar, doch sie versuchte es - wenig erfolgreich - zu überspielen.
Sie erzählte stattdessen von ihren Nachbarn, mit denen sie sich so gut verstand und die ihr bei vielem geholfen hatten, nachdem sie allein dort wohnte. 
Hermine wurde mir zu einer guten Freundin, der besten, die ich je hatte. 
Die Wochenenden bei ihr wurden zu meinem Lebensinhalt und das war bis dahin die glücklichste Zeit in meinem Leben. Sie verstand es, mir einen Halt zu geben und sie schaffte es mir so viel Vertrauen entgegenzubringen, dass ich mich ihr öffnen konnte. Wir hatten so vieles gemeinsam: die Liebe zur Natur und der See, wir mochten gute Gespräche bei einer Tasse Tee, wir liebten die Stille und Harmonie, die uns umgab. 
Dann, eines Tages, war sie nicht mehr da. Sie starb plötzlich und völlig unerwartet. Sie war nicht krank, sie schlief einfach ein.
Ich vermisste sie furchtbar und war am Boden zerstört. Ich selbst hatte schon lange keine Familie mehr und fühlte mich durch ihren Verlust einsamer denn je.
Du hattest ihr und ein Stück weit auch mir ein Heim gegeben und der Gedanke, was jetzt mit dir geschehen würde, machte mich traurig. Ich wusste, dass Hermines Kinder sich nicht für dich interessieren würden. Vielleicht würden sie verkaufen und es einer anderen Familie ermöglichen, dich wieder mit Leben zu füllen. Dieser Gedanke tröstete mich ein wenig, weil die Vorstellung, dich langsam verfallen zu sehen, schrecklich für mich war. Ich konnte es mir nicht leisten, dich zu kaufen, damit mußte ich mich wohl oder übel abfinden.
Und wieder war es ein ganz normaler Tag, an dem ich diesen Anruf bekam. Früh am Morgen, als ich gerade in meiner kleinen Wohnung mein Frühstück machte, klingelte mein Telefon.
Ein Anwalt meldete sich und teilte mir mit, dass du von diesem Tag an mir gehören würdest, die alte Dame hätte das so gewollt und ich könne mir den Schlüssel bei ihm abholen. Ich stand da, den Hörer in der Hand und konnte es nicht fassen! Ich hatte Angst, diese ganzen Gefühle, die sich mit Macht bahnbrechen wollten, zuzulassen. Vielleicht hatte ich nur geträumt oder etwas falsch verstanden?
Erst als ich den Schlüssel in der Hand hielt, begann ich zu begreifen. Endlich war ich angekommen und würde nie wieder fortgehen müssen.
Jetzt sitze ich so oft ich kann im Garten, denke voller Dankbarkeit an Hermine und fühle mich ihr dabei so nah. Ich glaube, es lohnt sich doch zu träumen!
Und dich, dich werde ich Lillemor nennen. Es ist ein schwedischer Name und passt so gut zu dir, er bedeutet "kleine Mutter"! Das zeigt, wie ich dich sehe: als einen Ort der Geborgenheit und einem wirklichen Heim! 
Und mittlerweile denke ich, DU hast MICH ausgesucht und ich weiß auch schon, wo ich diesen Brief an dich und für diejenigen, die nach mir kommen, hinterlassen werde...

© by Barbara Marx - Syring

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Geschichte Nummer 2, passend zu dieser Jahreszeit und gerade geschrieben
18.11.2014
Ich hoffe, sie gefällt euch.




A little Christmas Story


Der kleine weiße Hund war vor Freude ganz außer sich. Immer wieder fuhren seine Pfötchen am Gitter auf und ab, das Schwänzchen wedelte so hin und her, dass der kleine Körper von oben bis unten in Bewegung war. Die großen braunen Augen strahlten und vor Aufregung gab er kleine, süße Quietschlaute von sich, die wohl heißen sollten: nimm mich mit, ich will hier raus...
Genau davor hatte ich Angst gehabt, als meine Freundin, die gleichzeitig auch meine Vermieterin war, mich zum Flohmarktbesuch im Tierheim überredete.
Ich liebte alle Tiere, im Besonderen Hunde und ich wusste eben, dass ich besser nicht in die Käfige hätte schauen dürfen, am liebsten hätte ich sie allesamt mitgenommen!
Aber dieser kleine Kerl mit seinem weißen Wuschelfell hatte offensichtlich mich ausgesucht, denn er ging mir nicht mehr aus dem Kopf, als ich weiter die Stände entlang schlenderte. Mia war ganz in ihrem Element, ich sah sie weiter vorne mit einem großen Korb, der schon bis zum Rand mit Fundstücken gefüllt war.
Nachdem mein Mann mich nach über 20 Jahren von einem Tag zum anderen verlassen hatte und ich die schlimmste Zeit meines Lebens mehr schlecht als recht hinter mich gebracht hatte, suchte ich damals eine neue Bleibe für mich. Mittlerweile bezog ich eine Frührente, da mein Rheuma sich so verschlimmert hatte, dass mir keine andere Wahl blieb. Über das Internet fand ich dann vor einem Jahr Mia's Wohnungsangebot: eine große 3 – Zimmer – Wohnung in einem Vorort Münsters, in dem auch meine ältesten Freunde wohnten. Über 2 Etagen, großzügig und hell, die Miete dafür vergleichsweise gering und so rechnete ich mit einem Riesenandrang an Besichtigungen und mir kaum eine Chance aus.
Aber Mia war anders, sie wollte jemanden finden, der zu ihr passte und wir hatten sofort einen Draht zueinander. Ich bekam die Wohnung und dazu eine Freundin, auf die ich mich verlassen konnte. Sie selbst hatte 2 Hunde, beide aus diesem Tierheim und wenn ich ehrlich war, wünschte ich mir schon lange einen eigenen.
Nichts ist vergleichbar mit einer kalten Hundeschnauze, die dich morgens vorsichtig anstupst und weckt, mit der Lebensfreude, durch die er einfach den Moment genießt und mit kuscheligem Fell an deiner Seite, wenn du auf der Couch liegst und der Hund neben dir sich genüsslich räkelt und an dich schmiegt!
Also hatte er mich schon rumgekriegt, der kleine Kerl. Als ich Mia eingeholt hatte, sah sie es mir sofort an. Stand es auf meiner Stirn geschrieben?
„Na, welcher ist es?“ fragte sie mit wissendem Blick.
„Wer ist was?“ gab ich zurück, sie hatte mich ja ganz schön manipuliert und das wollte ich natürlich nicht sofort zugeben.
„Wenn du das schöne alte Tellerregal meinst, ja, das hab ich mir schon zurücklegen lassen und ein paar wunderbare alte Leinenstoffe hab ich auch gefunden.“ Ich hielt ihr meinen Korb unter die Nase, damit sie meine Funde bewundern konnte. „Und du?“ fragte ich ganz unschuldig.
„Silberbesteck, Brillenetui, Fensterladen, Spitze, Schreibset und noch ein paar Kleinigkeiten. Dieses Mal hat sich's wirklich gelohnt!“
Unsere Liebe für alte Schätze, Aufarbeiten alter Dinge und Handarbeiten hatte uns sofort zusammen geschweißt und mittlerweile hatten wir gemeinsam einen immer besser gehenden kleinen Laden, der einem Hofcafé angeschlossen war und in dem wir unsere Sachen verkauften. Nie hätte ich gedacht, dass sich mein Leben so entwickeln würde, aber man soll eben nie nie sagen! Ein Hund würde mein neues Glück ohne Mann, aber mit Dingen die mich ausfüllten und glücklich machten, vervollkommnen. Mehr brauchte ich nicht mehr. Keinen Beziehungsstress, keine Verletzungen, von denen man sich nie mehr erholt, kein Vertrauensbruch, der dich bis an die Grundfesten erschüttert. Nein, nie wieder! Und ein Tier enttäuscht dich nie, es ist dazu gar nicht fähig.
„Halloo, wen nehmen wir jetzt mit nach Hause?“ Mia grinste.
Ich grinste zurück. „Du hast das geplant, nicht wahr?“
„Na, sagen wir mal, ich habe dir nur den nötigen kleinen Schubs in die richtige Richtung gegeben! Mensch Anna, wir wissen doch beide, wie sehr du dir einen Hund wünschst! Wir haben Platz und meine beiden verstehen sich eh mit jedem, was also hält dich ab?“
„Nix!“ ich strahlte sie an, nahm sie bei der Hand und führte sie zu dem kleinen weißen Mischling, der sich vor Freude fast überschlug, als er mich sah.
„Oh, ist der süß!“ Mia beugte sich begeistert zu ihm runter, aber der Kleine hatte nur Augen für mich. Mein Herz schlug wie verrückt und plötzlich konnte ich es gar nicht mehr abwarten, ihn da herauszuholen. Am Käfig stand Barko – was für ein Name für so einen Kleinen!
„Ok,“ sagte Mia, „ich hole Sabine und dann geht’s los!“ Sprach's und machte auf dem Absatz kehrt. Sabine war die Mitarbeiterin des Tierheims und eine ehemalige Arbeitskollegin von mir. Ich war mir sicher, sie würde für uns eine Ausnahme machen und uns den Kleinen sofort mitgeben. Und so war es auch. Weil sie uns kannte, würden wir den ganzen Papierkram morgen erledigen können.
Wir erfuhren, dass der Kleine ein geschätztes halbes Jahr alt war und von Spaziergängern an einen Baum gebunden aufgefunden wurde. Es war November, die Nächte kalt und man konnte von Glück sagen, dass er es überlebte und schnell zum Tierheim gebracht wurde. Menschen, die hilflose Tiere einfach aussetzen oder Schlimmeres mit ihnen tun, werde ich nie begreifen können!
Jetzt würde er den ersten Advent warm und geborgen bei mir verbringen können. Als Sabine den Käfig öffnete, sprang er mir sofort in die Arme und leckte mir begeistert quer durch's Gesicht.
„Na, wenn das nicht Liebe auf den ersten Blick ist!“ rief Sabine, die sich einfach mit freute, wenn ihre Schützlinge ein gutes Zuhause bekamen. „Wartet eben, ich hole euch Geschirr und Leine. Hab ihr alles andere schon da, was ihr braucht?“
„Nein,“ sagte Mia. „Aber da heute Samstag ist, werden wir gleich noch einkaufen gehen und alles Nötige besorgen.“
„Wie nennen wir ihn?“ fragte sie. „Barko geht gar nicht, schließlich ist er kein Riesenhund.“
„Hm, für's Erste würde mir Stups gefallen.“ antwortete ich. „Schließlich habt ihr beide mir den Anstupser gegeben, der noch nötig war! Danke Mia, ich werd den Kleinen schon jetzt nicht mehr hergeben!“
Wie zur Bekräftigung bellte der Kleine.
Mia lachte. „Ich bin gespannt, was meine Beiden gleich sagen werden! Wir sollten mit allen erst mal eine Runde laufen, damit sie sich beschnuppern können.“
Nachdem wir den halben Tierbedarfsladen leer gekauft und mit allem versorgt waren, machten wir uns endlich auf den Heimweg.
Vorher brachten wir unsere Flohmarktfunde noch zum Lädchen und luden alles in der Werkstatt dahinter ab.
Zu Hause angekommen ließ ich Stups herunter, der sofort begann, meine Wohnung zu erkunden. Ich räumte sein Futter ein, legte das weiche Hundekissen neben die Couch und packte sein Spielzeug bis auf den Ball in einen Korb, den ich ins Wohnzimmer stellte.
Ein herrliches Gefühl! Jetzt gab es jemanden, der nur zu mir gehörte! Stups' Begeisterung kannte keine Grenzen, das Schwänzchen war ständig in Bewegung und immer wieder lief er zu mir, berührte mich an den Füßen und strahlte mich an. Am Ende sprang er auf die Couch, legte den Kopf auf die Pfoten und schlief auf der Stelle ein.
Obwohl ich mich in meiner Wohnung von Anfang an heimisch gefühlt hatte, wurde mir just in diesem Augenblick klar, dass es erst jetzt ein richtiges Zuhause war. Bis heute hatte Stups gefehlt!
Eine Stunde später machten Mia und ich unsere erste gemeinsame Abendrunde, unsere Hunde verstanden sich auf Anhieb. Da Mia's recht groß und temperamentvoll waren, hatte ich doch ein wenig Bedenken, ob sie Stups akzeptieren würden, aber ich hätte mir keinerlei Sorgen machen müssen. Nach dem ersten Beschnuppern war es so, als hätten sie schon immer zusammen gehört und ich war beeindruckt, wie sich alles fügte.
Die erste Nacht verbrachte Stups natürlich NICHT in seinem Körbchen neben meinem Bett, sondern IN meinem Bett! Nah an mich gekuschelt schlief er selig und ohne sich zu rühren bis zum nächsten Morgen durch. Und ich sagte natürlich nicht nein dazu, sondern genoss sie, diese neue Zweisamkeit.




Zum nahenden Weihnachtsfest hatte ich seit der Trennung so eine Art Hassliebe entwickelt. Einerseits mochte ich Weihnachten noch immer: als Familienfest. 
Die besondere Stimmung, die meine Eltern und Großeltern mir gezeigt hatten, jedes Jahr wieder. 
Die Lichter überall, die Gemütlichkeit.
Aber innerlich fehlte etwas: der Mensch, den man mehr als alles andere geliebt hat an meiner Seite. Eine Leere, die eben durch nichts zu ersetzen ist.
Also hielt ich mich von da an zurück, ich schmückte meine Wohnung nur mit dem Nötigsten und das für meine Familie, nicht für mich. Ich war eigentlich nur noch froh, wenn es vorbei war und ich nicht mehr so tun musste, als wäre es trotz allem noch so wie früher und ich keine gute Stimmung mehr heucheln musste, die ich nicht empfand.
Aber durch Stups war es diesmal anders. Natürlich konnte er nicht einen Partner an meiner Seite ersetzen, aber er war einfach da, so wie er war.
Plötzlich machte es wieder mehr Spaß, die Wohnung zu dekorieren, es besonders gemütlich zu machen, Plätzchen zu backen und Kerzen anzuzünden. Und Stups schien das zu spüren, er wich nicht von meiner Seite. Fragte ich ihn nach seiner Meinung, bellte er zustimmend, wobei immer der ganze Hund in Bewegung war. Wenn ich buk, lag er ein paar Meter entfernt von der offenen Küche, schnupperte immer wieder und wartete geduldig auf ein Leckerchen zwischendurch. Abends lag er mit mir auf der Couch und schaute fern. Sobald ein Tier zu sehen war, sprang er auf und stand schwanzwedelnd vorm Fernseher – sage noch einmal jemand, dass Hunde kein Fernsehen schauen können!
Im Lädchen war es so, als sei er schon immer da gewesen, er legte sich auf sein Kissen, begrüßte jeden Kunden freundlich und bei unseren Spaziergängen tobte er mit Mia's Hunden, als wenn es kein Morgen gäbe. Es war, als wüsste er von allein, was man von ihm erwartete, es war kaum ein Zurechtweisen nötig.
Auch unsere kleine Nachbarin Nele, stolze 5 Jahre alt, war begeistert und sehr viel öfter bei uns, als sonst. Früher spielte sie mit Mia's Hunden, die trotz ihrer Größe sehr vorsichtig mit ihr waren. Jetzt war Stups natürlich ihr Favorit. So gern wäre sie allein mit den Großen spazieren gegangen, sie war überzeugt, die anderen Kinder der Straße hätten sie dann bestimmt mit mehr Respekt behandelt als jetzt. Nele war klein und zart, sie hätte die großen Hunde nie halten können, weshalb sie zwar mitgehen durfte, aber zu ihrem Leidwesen nie allein.
Eines Morgens klingelte es und Nele stand vor der Tür.
„Ich hab jetzt Zeit,“ sagte sie ganz ernst. „Ich kann mit Stups spazieren gehen, du hast ja bestimmt was zu tun!“
Sie sah mit ihrem rosa Regenmantel und den dazu passenden Stiefeln einfach niedlich aus, man konnte ihr kaum widerstehen. Ihre blonden, feinen Haare hatte ihre Mutter zu einem französischen Zopf geflochten, so dass ihr hübsches Gesichtchen nicht von der Haarflut, die sie sich sonst ständig zur Seite schob, bedeckt war. Aber nie hätte sie sich ihre Haare kurz schneiden lassen, es war immer so schön, wenn ihre Mutter sie abends lange bürstete. Sie mochte das und wusste sehr genau, was sie wollte. Später würde sie die Jungs reihenweise umhauen!
„Guten Morgen, Nele.“ sagte ich. „Aber musst du denn nicht in den Kindergarten?“ Stups zwängte sich durch meine Beine, schließlich musste er begutachten, wer da gekommen war.
Nele beugte sich runter und streichelte ihn. „Nö, Gitta is krank und Moni auch und Tina auch. Sie haben Fieber und müssen im Bett bleiben, sagt Mama. Jetzt is keiner da, der auf uns aufpassen kann. Gibst du mir die Leine, dann geh ich los?“
Ich überlegte. Mein Hund war ja lieb und handelbar für Nele, aber was, wenn etwas Unvorhergesehenes passierte, etwas, was Stups erschrecken würde? Er war erst seit 14 Tagen bei mir und hatte Nele nur ein paar Mal gesehen. Nein, das war mir doch zu riskant, beschloss ich.
„Komm erst mal rein, dann schauen wir, was wir machen.“
„Wieso?“ fragte Nele, schon mit einem enttäuschten Ausdruck im Gesicht. „Ich kann doch jetzt gehen, hab doch Zeit!“
„Gut, aber weißt du was? Wir gehen gleich zusammen, ich zieh mir nur schnell was an. Wartest du so lange?“
„Ok.“ sagte sie ergeben und schlurfte in die Wohnung.
„Oh je! Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen, die dich schon am frühen Morgen geärgert hat?“ fragte ich.
„Eine Laus, was ist das?“ Sie knöpfte ihren Mantel auf und schien gänzlich desinteressiert.
„Ach nix.“ antwortete ich. „Nur so eine Redensart. Möchtest du noch einen schönen heißen Kakao und ein Plätzchen, bevor wir gehen?“
Sorgsam hängte sie ihr Mäntelchen auf den untersten Haken der Garderobe und lächelte mich zaghaft an.
„Die leckeren Schokis vom letzten Mal?“
„Hm, die hab ich leider nicht mehr, aber welche mit Schokostückchen drin, die magst du bestimmt auch!“
„Ok.“
Sie setzte sich auf die Couch und Stups sprang zu ihr hoch. Beide schauten mich so erwartungsvoll an, dass ich lachen musste.
„Na ihr Zwei seid mir ein Pärchen! Für Leckerchen tut ihr alles, oder?“
Stups bellte zustimmend und jetzt musste auch Nele grinsen.
Ich bereitete den Kakao zu, legte ein paar Plätzchen auf einen Teller und holte ein paar Hundekekse aus der Dose, die ich Nele gab.
Sofort sprang Stups auf und legte Nele die Pfoten auf die Schulter.
Nele lachte auf und sagte: „Sitz!“, dem Stups auch sekundenschnell folgte.
Stolz gab Nele ihm einen Keks.
„Guck mal, er hat sofort auf mich gehört!“
„Ja, er weiß genau, was er zu tun hat.“ Ich trank meinen Kaffee aus und beobachtete die beiden. Das Spielchen wiederholte sich, bis die Hundekekse auf waren und nachdem Nele ihre Verpflegung ebenfalls genossen hatte, machten wir uns alle gemeinsam auf den Weg.
Wir wohnten ländlich und waren deshalb auch schnell im Grünen, wo ich Stups normalerweise von der Leine ließ. Diesmal gab ich aber Nele die Leine, um zu schauen, wie sie damit umging und sie machte es erstaunlich gut.
Nach einer halbe Stunde erreichten wir den Spielplatz, Nele gab mir die Leine zurück und lief zur Schaukel, dann zur Rutsche und zum Klettergerüst. Stups und ich waren vergessen, aber wir schauten ihr gerne zu. Manchmal war sie viel zu ernst für ihre 5 Jahre, so dass ich froh war, dass sie ein bisschen spielte.
Nach und nach kamen auch noch andere Kinder mit oder ohne Eltern dazu und Nele setzte sich zu uns auf die Bank.
„Magst du nicht noch ein bisschen mit den anderen spielen?“ fragte ich sie.
„Nö, aber ich würde so gern einen eigenen Hund haben!“ Nele wackelte mit ihren Beinen unter der Bank und schaute sehr traurig aus.
„Aha,“ antwortete ich. „Und deine Eltern erlauben es nicht?“
„Nö. Mama sagt, wir hätten zu wenig Zeit dafür und ein Hund wär dann traurig. Aber wär er nicht, ich würd mich ja um ihn kümmern!“
Sie sagte das ein wenig trotzig, aber das Traurige blieb. Ich konnte sie sehr gut verstehen, denn ich wollte als Kind ebenfalls immer einen Hund. Wir durften aber keinen halten, das verbot der Mietvertrag.
„Ich wünsch mir einen vom Weihnachtsmann, dann können Mama und Papa doch nicht schimpfen, oder? Der Weihnachtsmann kennt alle Wünsche der Kinder und wenn er die erfüllt, dann können Eltern doch nix machen, oder?“
Hoffnungsvoll schaute sie mich an und brachte mich in eine echte Zwickmühle. Gegen den Weihnachtsmann konnte ich nichts ausrichten, aber ich wollte mich nicht einmischen. Nele würde mit der Entscheidung ihrer Eltern erst mal leben müssen.
„Ja, aber schau mal: so viele Kinder bekommen dann vielleicht vom Weihnachtsmann ihren Wunsch erfüllt und was passiert dann?“
Nele überlegte. „Dann ist der Hund da und die Eltern können nix machen.“ wiederholte sie.
„Hm, da hast du recht, aber Eltern können dann schon was machen.“
„Was denn?“ fragte Nele.
„Nun, zuerst ist der Hund vielleicht ganz süß, aber dann merken sie, dass er Arbeit macht. Er muss sein Futter haben, er muss Gassi gehen und wenn er mal krank ist, dann muss er zum Tierarzt. Die Eltern müssen vielleicht arbeiten, die Kinder müssen ihre Schulaufgaben machen oder nachmittags noch zum Unterricht. Und wieviel Zeit bleibt dann noch für einen Hund, der spielen und sich bewegen möchte?“
Nele sagte nichts, schaute aber sehr nachdenklich.
„Und weißt du was Eltern dann machen?“
„Nö.“
„Dann geben sie den Hund ins Tierheim, wo auch niemand wegen der vielen Tiere so richtig Zeit für ihn hat. Er sitzt dann in seinem Zwinger und wenn er Glück hat, dann findet er ein paar Menschen, die ab und zu mit ihm spazieren gehen. Wenn er noch mehr Glück hat, aber das haben nicht alle, dann findet er ein neues Zuhause.
Und weil sich Weihnachten ganz viele einen Hund wünschen, ohne zu gucken, ob das auch wirklich geht, sind die Tierheime nach Weihnachten besonders voll, weil sie dann alle wieder abgegeben werden. Und das ist doch auch nicht schön, oder?“
„Aber Stups hat dich gefunden und ich kann mit ihm spielen!“
„Ja, aber im Tierheim gibt es noch viele andere Hunde, die auf ein Zuhause warten, in dem man Zeit für sie hat und ihnen alles geben kann, was sie brauchen. Und sieh mal, wenn du dir so doll einen Hund wünschst, dann wartest du einfach noch ein bisschen, bis deine Eltern ja sagen, denn dann ist es richtig so und kein Hund landet im Tierheim. Findest du nicht auch, dass das besser ist?“
Nele schaukelte noch immer mit ihren Beinen und man konnte förmlich sehen, was in ihrem Köpfchen vorging.
„Aber der Weihnachtsmann weiß doch immer alles, warum macht der das dann trotzdem?“
„Vielleicht, weil der Weihnachtsmann ja beim besten Willen nicht alles wissen kann! Überleg mal, wie viele Kinder es auf der Welt gibt und er hat alle Wünsche der Kinder im Kopf. Da kann er nicht auch noch wissen, was Zuhause los ist, ob die Eltern einverstanden sind, ob auch Zeit genug da ist...usw. Das alles kann selbst ein Weihnachtsmann nicht wissen und deshalb tut er dann vielleicht nicht immer das Richtige.“
„Ach so, stimmt.“ sagte Nele. „Ok, das versteh ich. Aber bis ich dann meinen Hund krieg, darf ich dann mit Stups spielen, oder?“
„Aber klar, auch mit Benno und Balou, versprochen!“
Endlich strahlte sie wieder, sprang von der Bank und lief zur Schaukel. Ihre Welt war wieder in Ordnung und ich froh, dass ich es ihr so erklären konnte, dass sie es verstand und nicht einfach nur enttäuscht war.
„Gut erklärt, da zieh ich den Hut!“
Erschrocken drehte ich mich zu der Stimme hinter mir um. Ich hatte nicht mit bekommen, dass sich jemand auf die Bank hinter mir gesetzt hatte.
„Sie haben gelauscht!“ antwortete ich, aber mit einem Grinsen im Gesicht, denn was ich sah, gefiel mir.
Ein Mann in meinem Alter, graue Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden mit einem sehr sympathischen und offenen Gesichtsausdruck. Erst jetzt sah ich zu seinen Füßen einen wunderhübschen Retriever, der neugierig meinen Stups beschnüffelte.
„Bekenne mich schuldig, aber Sie waren auch nicht zu überhören. Meine Lilly ist auch aus dem Tierheim und ich hab's nie bereut. Solange so viele Tiere ihr Leben im Heim fristen müssen, kommt für mich ein Züchter nicht mehr infrage!“
„Ganz meine Meinung!“ antwortete ich erfreut. „Laufen Sie öfter hier?“

Endlich mal jemand, mit dem man sich gut unterhalten konnte, dachte ich.

© by Barbara Marx - Syring






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